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30.08.2010, 21:27 Uhr
Champagnierle
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Hallo Ulrich, ich bin einer dieser Leute, die gegen Stuttgart 21 sind. Ich wohne in Cannstatt. Das "Bad" gewöhne ich mir schonmal ab, denn wenn der Bahnhof kommt, wird es vorbei sein mit der Stadt mit dem zweithöchsten Quellwasseraufkommen in Europa - nach Budapest.
Ein weiterer Grund, der mich gegen Stuttgart 21 sein lässt, ist die Tatsache, dass ich sicher bin, dass die Befürworter von Stuttgart 21 auch heute noch nicht wirklich abschätzen können - oder eher wollen - was der Spass denn kostet. Da bin ich mir sicher, dass jeder einzelne Steuerzahler da von denkmalsgeilen Politikern verarscht wird und wenn der Bahnhof mal fehlt und man das Gefühl hat, dass der Point of no return überschritten ist, dann wird vielleicht das erste mal eine ehrliche Zahl über die wahren Kosten des Projektes fallen.
Und beim Geld will ich bleiben. 1997, als das Projekt in seiner heutigen Form beschlossen wurde, waren noch deutlich andere Zeiten. Da hatte man noch Geld. Das ist heute nicht mehr so. Deutschland ist hochverschuldet und auch da lügen uns die Politiker die Hucke voll, allerdings im Zeichen des Maastricht-Kriteriums. Wenn ich da mal schnell ein paar Milliarden (ja, die Zahl mit 9 Nullen) sparen kann, dann bin ich dabei. Wenn man den Bahnhof nicht drehen würde, sondern den Kopfbahnhof ertüchtigen würde, wie es in Leipzig, Frankfurt und München gemacht wurde, wäre der Spass mindestens um die Hälfte billiger.[1]
Noch ein Grund, der mich ganz aktuell gegen Stuttgart 21 sein lässt ist ein weiteres bautechnisches Risiko. Man weiss inzwischen, dass Stuttgart nicht nur auf Anhydrit steht, sondern dass es auch Dolinen gibt. In Cannstatt ist gerade das gesamte Rathaus in ein anderes Gebäude gezogen, weil man einen grossen Hohlraum unter dem Bezirksrathaus gefunden hat... Das ist übrigens auch das Phänomen, dessentwegen Frei Otto inzwischen nicht nur gegen Stuttgart 21 ist, sondern davor warnt.[2]
Ein etwas merkwürdig anmutender Grund ist für mich folgender: Stuttgart ist eine Stadt, die einen Blick verdient hat. Und nicht eine Röhre rein und eine Röhre raus. Wenn ein Bürgermeister auf seine Stadt so stolz ist, dass er lieber in architektonischem Grössenwahn alle Durchgangsreisenden verbuddelt als ihnen SEINE Stadt zu zeigen, dann sollte er nicht Bürgermeister, sondern Kanalarbeiter sein.[3]
Auf einen kurzen Nenner gebracht denke ich, dass die Ar....öcher in der Politik sich lieber für eine Milliarde eine Pyramide bauen sollen - wir haben auch in Cannstatt einen wunderschönen Marmor[4] - und für ihren verfehlten Grössenwahn den Bahnhof aber in Ruhe lassen sollen.
Gruss
Marc [1]Kopfbahnhof21.de [2] Dolinen in Cannstatt; Cannstatter Zeitung [3]Sehenswürdigkeiten in Stuttgart [4] Cannstatter Travertin auf Wikipedia |